Situation im Dresdner Wohnungsmarkt

Angst und Panikmache ist nicht die richtige Reaktion

In den letzten Tagen ging eine Welle von Angst- und Panikmache durch die Medien, die da lautete, in Dresden sind die Mieten explodiert und um 13,79 % angestiegen und die Durchschnittsmieten lägen bei 6,60 €/m2 (u.a. Mopo v. 26.09.2012).

Weil das bislang übermäßige Angebot freier Wohnungen spürbar zurückging, sollte nun nicht in blinden Aktionismus verfallen werden, so als stünde die (nächste) Wohnungsnot bevor.

Dabei sind 13,79 %, woher die Zahl auch stammen mag, nicht nachvollziehbar und erst recht keine Explosion. Der Gesetzgeber hat in § 5 Wirtschaftsstrafgesetz bei Mieterwechsel Mieten von 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete als zulässig erachtet, die unter konkreten Einzelfallumständen sogar noch überschritten werden dürfen. Es ist daher bestenfalls dann von Mietenexplosion zu sprechen, wenn innerhalb sehr kurzer Zeiträume die Mehrzahl der Mieten über diese Grenze hinaus ansteigen.

Es ist zutreffend, in Dresden sind leichte Mieterhöhungen zu spüren. Das ist durchaus eine reale, verständliche Entwicklung und Reaktion auf fortwährend steigende Kosten, die angesichts der enormen Leerstände in der Vergangenheit allein von den Vermietern geschultert werden mussten.

Mehrere Mietspiegel hintereinander konstatierten konstante bis leicht fallende Mieten. Das konnte angesichts allgemeiner Preisentwicklungen so nicht bleiben. Doch viele erhofften aber genau das, was durchaus verständlich ist.

Wenn sich nun dieser Trend, ich meine vorübergehend, ändert und Mieten leicht steigen, ist jedoch keinesfalls von Explosion der Mietpreise auszugehen, zumal der Anstieg nicht in allen Marktsegmenten stattfindet, in einigen Bereichen haben wir noch immer konstante bis leicht fallende Mieten.

Der Wohnungsmarkt in Dresden ist noch immer ausgeglichen, aber eben nicht mehr so homogen wie vor vielen Jahren, als mathematische Mieterhöhungen erlaubt waren. Der Wohnungsmarktbericht 2011 der Landeshauptstadt belegt dies eindrucksvoll.

Wenn höhere Einkommen erzielt werden, wird auch fürs Wohnen mehr ausgegeben, wenn der Preis in Bezug auf Ausstattung und Lage stimmt. In bestimmten Segmenten und Modestandorten sind die Angebote nicht mehr so reichlich, vereinzelt auch knapp geworden. Insgesamt aber steht genügend Wohnraum mit einer breiten Mietpreisspreizung zur Verfügung.

Es mag sein, dass die Wohnungssuche vielleicht aufwendiger geworden ist, weil nicht mehr aus einem großen Überangebot geschöpft werden kann, aber Mietenexplosion und Wohnungsnot sind Übertreibungen derjenigen, die an der Wohnungsvermittlung und der Angstmache wohl ganz gut verdienen.

Doch diese Entwicklung wird so mittelfristig kaum bleiben. In nicht allzu ferner Zukunft kommen die geburtenschwachen Jahrgänge der Nachwendezeit ins Familiengründungsalter und sind es zum Teil schon. Aber Kinder, die damals nicht geboren wurden, werden keine Kinder bekommen, also keine Familiengründung vornehmen können. Das hat Auswirkungen nicht nur auf den Wohnungsmarkt.

Mit Zuzug allein wird das kaum auszugleichen sein, auch wenn Dresden in den Zielvorstellungen überregionaler Wohnungssuchender gut platziert ist. Das positive Wanderungssoldo aus Weg- und Zuzug kann schnell wieder ins Negative münden.

Der nächste Wohnungsüberschuss steht uns nämlich dann schon wieder bevor, wenn jetzt den Übertreibungen gefolgt wird und wieder hemmungslos, so wie in den 1990er Jahren, neu gebaut und geplante Abrisse nicht mehr getätigt werden. Mit Kindergärten und Schulen droht übrigens ein ähnliches Dilemma, wenn jetzt nicht erst einmal maßvoll nachgedacht und prognostiziert wird. Nur lautes Geschrei hilft da nicht weiter und führt wieder nur zu Fehlentwicklungen, wie Anfang dieses Jahrhunderts.

Nicht ohne Wirkung bleibt auf dem Wohnungsmarkt die Dominanz weniger Großvermieter, die ihre Preise kraft ihrer Größe durchsetzen können. Diese können mit ihrer Wirtschaftskraft bei Mieterwechsel auch warten, bis derjenige Mietinteressent kommt, der ihre Preisvorstellungen akzeptiert.

Längst gehen aber nicht alle Träume in Erfüllung. Wir haben genügend Umlandgemeinden in Wartestellung, die Dank ihrer guten Verkehrsverbindungen nach Dresden und einem großen Angebot freier Wohnungen durchaus in der Lage sind, preisdämpfend auch auf Dresden zu wirken. Nicht alle Arbeitsplätze sind auch nur von Dresden aus günstig zu erreichen.

Dass in Zeiten steigender Mietpreise auch der Beratungsbedarf steigt, ist völlig normal. Wer mehr zahlen soll, wird auch prüfen, ob er das muss. Mängel, die bisher hingenommen wurden, sind dann wieder im Fokus und nicht jede Einstufung in die Ausstattungsklasse des Mietspiegels ist angemessen. Die Lage kristallisiert sich schon seit geraumer Zeit als subjektiver Preisfaktor heraus. Deshalb haben wir schon vor einiger Zeit an eine Aktualisierung der Wohnlagekarte erinnert, die immer dringlicher wird.

Die Stadt wird nicht umhin kommen, mehr für Marktanalysen aufzuwenden als bisher. Nur so lassen sich marktkonforme Bedarfe in den einzelnen Wohnungsgrößen und Ausstattungen ermitteln und in die Planungen einstellen.

Dresdens Vermieter sind momentan in einer günstigen Situation, doch sie sollten nicht übermütig werden. Für Euphorie ist kein Raum, künftige Pleiten sind dann vorprogrammiert. Kleinere Brötchen, dafür immer, sollten der Maßstab sein. Oder anders gesagt, wer hoch pokert, kann tief fallen.

Aus unserer Sicht sollte die Stadt sich auf folgende Schwerpunkte konzentrieren:

1. Mit Verdichtung statt Erweiterung des Stadtgebietes sollte auf eine (Nach)Nutzung von Brachflächen orientiert werden.

2. Mit modernen Wohnformen sollte das Leben in den Quartieren grundstücksübergreifend mit dem Ziel organisiert werden, eine gute Wohn- und Sozialstruktur zu erreichen. In einigen Städten werden bereits vom Bund begleitete Modellvorhaben mit der Projektbezeichnung Kooperation im Quartier mit privaten Eigentümern zur Wertsicherung innerstädtischer Immobilien (KIQ)) realisiert, u.a. in Magdeburg und in Chemnitz. Solche Projekte sind gezielt zu fördern und bauplanungsrechtlich auch in Dresden anzustoßen.

3. Urbanes Leben bedingt Wohnen und Leben in der Innenstadt. Der Wohnungsanteil ist hier zu erhöhen. Städtische Immobilien müssen gezielt zweckgebunden für solche Projekte veräußert und eingesetzt werden. Das gilt auch für das Wiener Loch. Die Stadt kann und soll ggf. zu niedrigeren Preisen als den von Gutachtern vermeintlich festgestellten Verkehrswert verkaufen, um diese städtebauliche Entwicklung zu befördern.

4. Städtische Investitionen müssen der demographischen Herausforderung gerecht werden. Neubauten von KITAs, ggf. auch Schulen müssen nach einigen Jahren z.B. in altengerechtes Wohnen und/oder Studentenwohnungen konvertierbar sein. Darauf ist die Struktur der Gebäude bereits bei der Errichtung auszurichten.

5. Urbanes Wohnen bedingt ferner, in Wohnungsnähe Parkhäuser zu errichten, die auch mit ÖPNV erreichbar sein sollten. Besonders an den Innenstadtbahnhöfen fehlen ausreichend preisgünstige Angebote.

Christian Rietschel
Vorsitzender Haus & Grund Dresden e.V.